01.08.2006
Vor  100 Jahren wurde die erste Wasserleitung gebaut - 1906 begann eine neue Ära

© Lydia Aumüller

Wenn heute selbst in wochenlangen Trockenperioden kaum Schwierigkeiten in der Wasserversorgung auftreten, so ist dies für die meisten Zeitgenossen selbstverständlich. Sie machen sich kaum Gedanken darüber, wie sich ihre Vorfahren über Jahrhunderte plagen mussten, um das Lebenselement Wasser auf den Tisch zu bringen. Es sind genau 100 Jahre her, als in Villmar ein ausreichendes Wasserleitungsnetz gebaut wurde und ein fortschrittlicher Zeitabschnitt begann. Der Flecken an der Lahn war mit 2045 Einwohnern die zweitgrößte Landgemeinde im ehemaligen Oberlahnkreis. Über Generationen hinweg versorgte sich die Bevölkerung mit dem lebensnotwendigen Trink- und Haushaltswasser aus Brunnen und fließenden Bächen. Das sollte sich jedoch, dank der Errungenschaften neuer Techniken, bald ändern.

Der seit 1898 amtierende Bürgermeister Simon Dill (Bild rechts ) wusste um die mühevolle Arbeit der Wasserträger und Trägerinnen, die gegenüber seinem Anwesen „Gasthaus Germania“ in der Weilburger Straße tagtäglich das Nass für die Familien- und die Viehversorgung holen mussten. Er stellte schon im Jahre 1904 die Weichen zum Bau einer dringend notwendigen Wasserleitung. Auf Grund eines Beschlusses des Gemeinderates beauftragte er im Mai 1904 die Firma Schlebusch aus Leun nach den Plänen von Kreisbaumeister Püttger, Weilburg, Wasseraufschlussarbeiten durchzuführen. Die Kosten hierfür wurden mit 3 630 Mark ermittelt.

Bereits ein Jahr später beschlossen die Gemeindevertreter am Ortsausgang in Richtung Weyer einen Wasserhochbehälter mit einem Fassungsvermögen von 300 Kubikmeter zu errichten. Die Arbeiten für die Verlegung der Hochdruckleitung übertrug man der Firma Niessen aus Höhr, mit einem Finanzvolumen von 56 170,00 Mark. Der Techniker Paul Schlegel sowie der Kreisbaumeister Püttger übernahmen Bauaufsicht- und Bauleitung für die Ausführung der anstehenden Arbeiten. Ein Betonwerk aus Kassel lieferte den Marmorkleinschlag, der für den Bau des Hochbehälters benötigt wurde. Den je 150 cbm fassenden Vorsorgungskammern speiste man das Wasser aus dem Gemarkungsteil „Bachborn“ zu.



Foto 1906 Die Wasserlieferung für die Gemeinde wurde 1906 bilddokumentarisch festgehalten: von links Petry (Aufseher), Schlegel (Bauführer), J. A. Brahm, J. W. Müller, J. Brahm 3, Anton Müller, Anton Brahm, Adam Müller 3, Hermann Jaik, Jakob Müller 5, Georg Heinrich Caspari, A. Wiederhold, H. W. Brahm. Treppe v Auf der Treppe v. links: Dommermuth, P. Messen (Unternehmer), Josef Engelbert Falk, Bürgermeister Simon Dill, Kreisbaumeister Püttger, Johann Laux 5. und auf der Mauer J. B. Laux (Polizeidiener) 


360 Wohnhäuser des Ortes erhielten auf Kosten der Gemeinde ihre Wasseranschlüsse bis an die Grundstücksgrenze verlegt Im Sommer 1906 hieß es „Wasser Marsch“. Die Wasserlieferung nahm ihren Lauf und wurde von der Bevölkerung dankbar begrüßt. Nach Abschluss der notwendigen Baumaßnahmen schlugen für die Gemeinde die Gesamtkosten mit 100 000 Mark zu Buche. Bemerkenswert ist, dass die Gemeindeväter 10 Jahre zuvor den 150 000 Mark teuren Brückenbau über die Lahn mit 100 000 Mark und zusätzlichen Spendengeldern finanziert hatten. Eine notwendige aber stolze Leistung unserer Vorväter. 

Nach dem letzten Weltkrieg entwickelte sich auch in Villmar eine rege Bautätigkeit, wodurch eine Erweiterung der Wasserversorgungsanlage notwendig wurde. Während der Amtszeit des Bürgermeisters Hubert Aumüller (Bild links) ließ die Gemeinde am Holzweg einen notwendigen zweiten Wasserbehälter mit 300 Kubikmetern zum Preise von 75 000 Mark errichten, der 1967 um 600 cbm Fassungsvermögen vergrößert wurde. Für diesen Zweck verausgabte die Gemeinde 223 000 Mark. Infolge der ausgedehnten Ortslage, durch die weitere Bautätigkeit und des ständig steigenden Wasserverbrauchs konnte die Wasserversorgung nur noch durch den Anschluss der Gemeinde Villmar an den Wasserverband „Georg-Joseph“ sichergestellt werden. Dieser Verband übernahm im Jahre 1973 die Wasserlieferung aus einem früheren Bergwerk, der Grube Georg Joseph in Wirbelau. Hier sind die Wasservorräte so umfangreich, dass Verbrauchswassernotstände auf längere Sicht nicht zu befürchten sind. Weil der Wasserzulauf aus dem Stollen „Bachborn“ immer mehr nachließ und die Gemeinde durch die Zugehörigkeit zum Wasserverband „Georg-Joseph“ verpflichtet ist von dort das gesamte Verbrauchswasser für den Ortsteil Villmar zu beziehen, wurde der vor 100 Jahren am Weyer Weg gebaute Hochbehälter gänzlich außer Betrieb gesetzt. Übrigens: Derzeit zählt im Jahre 2006 der Ortsteil Villmar ca. 3500 Einwohner

Wasser gilt als die Basis allen Lebens und war zu allen Zeiten als besonderes Element hochgeschätzt. In allen großen Religionen und Kulturen spielt Wasser eine zentrale Rolle. Heute bedeutet die zunehmende Knappheit dieses Guts, nicht zuletzt durch steigende Konsumansprüche, weltweit ein gewaltiges Problem und eine große Herausforderung, sorgfältig mit dem Verbrauch des „blauen Goldes“ umzugehen. 







Einer der 4 Laufbrunnen im alten Ortskern aus Marmor, errichtet um 1846 in der Weilburger Straße (Haus Baier), entfernt 1966. .




1956. Vor 50 Jahren: Errichtung eines zweiten Hochbehälters für die Gemeinde (300 cbm.) am Holzweg, Richtung Galgenberg, 1967 um 600 cbm. vergrößert.