© Lydia Aumüller

Simon Leonhard II.

Es ist verständlich, dass Simon Leonhard II. (*1762) schon in jungen Jahren in die Fußstapfen des Vaters trat. Zudem unternahm er den Versuch, bei anschließender Wanderschaft seine Steinmetz- Erfahrungen zu Höchstleistungen zu verbessern. Dass ihm die Wanderzeit in Holland und Belgien sehr von Nutzen war, von der er 1785 zurückkehrte, beweisen seine kunstvollen Arbeiten. Simon Leonhard ehelichte am 7. Januar 1787 Anna Maria Bleul aus Villmar, die ihm zwei Töchter sowie die Söhne Engelbert (* 1791) und Johann-Peter (*1793) gebar. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse waren nicht gerade rosig, denn 1796 liehen er und seine Frau bei der Pfarrei in Villmar 66 Reichstaler zu 5% Zinsen, wofür sie Wiesen und Äcker als Sicherheit gaben. Später schien das Geschäft zu florieren. Simon Leonhard betrieb um diese Zeit als einziger in Villmar mit Hilfe von Gesellen das Geschäft in größerem Maßstab. Welche Schwerstarbeit bei der Bergung des Materials aus den Villmarer Brüchen , die rechts und links der Lahn lagen, zu leisten war, ehe die tonnenschweren Steine mit einem Wagen oder mit einem Kahn über die Lahn zur Werkstatt gebracht werden konnten, weiß nur zu ermessen, wer selbst beteiligt war. Mangels Maschinen musste damals alles in Handarbeit erledigt werden. Leonhard lieferte die Säulen in die Ignatiuskirche zu Mainz, teils neue, teils restaurierte Altäre in die Klosterkirche zu Seligenstadt. (DAL. Kb. Villmar, Geburt- Heirat)

Ende des 18. Jahrhunderts erhielt Simon Leonhard den Auftrag zur Fertigung eines Denkmals für den berühmten französischen General Lazare Hoche. Durch Spenden französischer Soldaten wurde der Kauf eine Grundstückes auf dem Frauenberg, damals französisches Territorium nahe bei Weißenthurm, ermöglicht, auf dem das Monument 1798 errichtet wurde.

Die französischen Soldaten der Sambre- und Maasarmee hatten das acht Meter hohe Marmormonument auf jenem Hügel erstellen lassen, von wo aus der General im April 1797 den Rheinübergang seiner 40 000 Mann starken Truppe und deren Kampf bei Neuwied leitete. Das im klassizistischem Stil geschaffene Bauwerk aus heimischem Marmor hält in vier Nischen auf Kupfertafeln im Halbrelief die bewegte Geschichte der napoleonischen Kriege fest. Auf den zusammengefügten mächtigen Quadern ist auf der Vorderseite zu lesen:

L‘ ARMEE DE SAMBRE ET MEUSE A SON GENERALENCHEF HOCHE

Seit dem Jahre 1919 ruhen die sterblichen Überreste des General Hoche, der Ende 1797 bei Wetzlar verstorben war, in einer Gruft unterhalb des Denkmals. Seit 1978, nach Abschluss eines Vertrages zwischen der Stadt Weißenthurm und dem französischen Staat, ist der „Hoche Park" für die Öffentlichkeit zugängig.

Bei der Planung der Inneneinrichtung des Kurhauses in Wiesbaden, das im Jahre 1808 gebaut wurde, machte Herzog Friedrich August von Nassau eines zur Bedingung: Er wünschte rot-bunten Marmor aus Villmar. Meister Simon Leonhard aus Villmar wurde mit der Fertigung der Marmorarbeiten für den Kursaal beauftragt, was er als große Ehre und Wertschätzung seiner handwerklichen Fähigkeiten empfand. In seiner Werkstatt fertigte er 28 Säulen und acht Wandhalbsäulen, deren Material, wie Fachleute heute vermuten, in den Villmarer Brüchen  "Bongard, Kissel, Famosa, Grethenstein und Unica" gebrochen wurde. Sie dienten zusammen als Stütze und Zierde des Hauptsaales. Mit Pferdefuhren wurde die wertvolle Fracht gut verpackt nach Wiesbaden transportiert. Jede der gewaltigen korinthischen Säulen kostete 220 Gulden.

Nach getaner Arbeit erhielt Simon Leonhard 7674 Gulden und 24 Kreuzer. Herzog Friedrich hatte für die prachtvollen Säulen 3000 Gulden gestiftet. Der Marmorsaal, heute „Christian-Zais-Saal" genannt, wurde im Juli 1810 eröffnet. (Spielmann :Das Kurhaus zu Wiesbaden 1808-1904 )

Auch nach dem Umbau und der Erweiterung des Kurhauses im Jahre 1907, sowie nach der Bombardierung am 2. Februar 1945 blieb er weitgehend erhalten.

1812 fertigte Meister Simon Leonhard II. aus Villmar mehrere Badewannen aus Marmor die man im „Lahnbau" des Emser Kurhauses plazierte. Im 19. Jahrhundert waren es vor allem Kaiser, Könige, Fürsten, Adelige und Zaren aus Rußland, Staatsmänner und Künstler, die in Ems an der Lahn in den „Luxusbädern" ihre Gesundheit pflegten. In die mehrere Zentner schwere, drei Meter lange- und 1.15 Meter breite Badewanne führten drei Steintritte die Heilsuchenden in das Wasser mit einer Sitzecke. Einhundert Jahre später hatten sie durch Modernisierungsarbeiten ausgedient. Nur eine historische Badewanne ist heute als Relikt aus jenen Tagen in der Carl-Heyer-Lahnpromenade aufzuspüren.

Den Besuchern von heute entlockt dieser alte, von der Meisterhand Leonhards gefertigte Steinzeuge ein Schmunzeln, wenn er an die Luxusbäder von heute denkt.

Für damaliges „Freizeitvergnügen" der Badegäste war Luxus vom Feinsten gefragt. Anno 1839 spendeten Laufbrunnen aus Lahnmarmor an der Römerstraße den Kurgästen und Einheimischen frisches Quellwasser, die heute funktionslos und stark verwittert als Blumentrog dienen. Prunkstück des im Jahre 1839 nach den Plänen von Gottfried Gutensohn hergestellten Kursaalgebäudes war der Marmorsaal. Nach erhaltenen Unterlagen fertigte 1837/38 die Marmor -Zuchthausfabrik in Diez 16 gewaltige Säulen, deren Werkstoff aus dem Villmarer Steinbruch „Kissel rot" gewonnen wurde. Die ca. 4 Meter hohen rot-bunten Monolithen mit einen Umfang von 1.50 Metern sind ein Spiegel der Devonzeit vor 380 Millionen Jahren. 16 weitere kleine Lahnmarmorsäulen stützen die kunstvoll verzierte Kassettendecke.

 

Johann Peter Leonhard, ein Sohn des Simon Leonhard aus Villmar, lieferte um diese Zeit ebenfalls größere, nicht näher beschriebene Marmorarbeiten in den Kursaal von Ems. Das architektonische Juwel wurde im Jahre 2000 glanzvoll renoviert. Dieser prunkvolle Marmorsaal, der einst nur gekrönten Häuptern, kirchlichen Würdenträgern, Gelehrten und Künstlern zur Verfügung stand, ist heute Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens von Bad Ems und für „Jedermann" zugänglich.

Im Jahre 1784 wurde im Diezer Grafenschloss eine Zuchthaus-Marmor-Verarbeitungsstätte eingerichtet, wohin auch die Gefangen des Arbeitshauses der Residenz Weilburg übersiedelten. Wir wissen, dass im Jahre 1811 das monatliche Gehalt des damaligen Werkmeisters Deubel (Deibel ?) aus Weilburg 22 Gulden betrug und dass dessen Wohnung im untersten Stock der Fabrik lag. Zu solchen Konditionen hatte möglicherweise Meister Simon Leonhard die Stelle als Werkmeister der Marmorfabrik 1817 übernommen. Sein Geschäft sowie Werkstatt und Wohnhaus in Villmar überließ er seinem Sohn Engelbert.

Abb. oben : Meister und Bewachern sowie Zuchthäusler bei der Steinbearbeitung in der Diezer Zuchthaus-Marmorfabrik um 1837. Das Original befindet sich im Landesmuseum Wiesbaden.

Von den Steinarbeiten, die während seiner Zeit als Diezer Werkmeister meist von ungelernten Häftlingen gefertigt wurden, sind einige bekannt bzw. noch erhalten geblieben. So wurde zum Beispiel 1822 in Wiesbaden ein Laufbrunnen aus heimischem Marmor auf dem Friedrichsplatz aufgerichtet, der dort bis 1872 seinen Dienst tat. Nach seinem Abriss und jahrzehntelanger Zwischenlagerung im Wiesbadener Museum fand er, gründlich renoviert, 1978 auf dem Mauritiusplatz eine neuen Standort.

Im Jahre 1823 erhielt die Zuchthausfabrik den Auftrag, 16 Grenzsäulen aus Marmor mit dem herzoglichen Wappen herzustellen. Das rotgraue Gestein zu diesen monumentalen Säulen entnahm der Werkmeister Simon Leonhard dem zuchthauseigenen Steinbruch in Villmar in der „Wieshohl". Im Privatarchiv von Helga Reucker, Weilburg, befindet sich dazu ein interessantes Dokument der Söhne des Meisters aus Villmar. In einem Bittschreiben von J. Peter Leonhard an die Landesregierung in Wiesbaden verspricht dieser am 25. Dezember 1822, bei einem Auftrag zur Fertigung der Säulen jede zehn Gulden unter dem von der Landesregierung ins Auge gefasste Preis zu liefern. Sein Bruder Engelbert bedauert in einem Protestschreiben, dass bereits am 23. Februar 1823 das Zuchthaus mit der Säulenfertigung beauftragt wurde. Er bietet an, die Fertigung der Säulen um zwanzig Gulden pro Stück unter dem Gebot der Zuchthausfabrik Diez vorzunehmen. Engelbert gibt außerdem zu bedenken, dass wegen zu vieler Arbeit das Zuchthaus den Auftrag zum „Kaiser-Adolf-Denkmal" nicht fristgerecht fertig stellen konnte, er aber ohne Arbeit sei und fast zu Grunde ginge. Trotz dieser günstigen Angebote erhielten die Leonhards aus Villmar keinen Auftrag.

Es ist schon dramatisch, dass eine Landesregierung die Anfertigung besagter Säulen an die Diezer Marmorfabrik vergab, an deren Spitze ausgerechnet Werkmeister Simon Leonhard, der Vater der Bittsteller, Johann Peter und Engelbert aus Villmar, das Sagen hatte. Es ist aber auch aktenkundig, dass der Direktor der Marmorfabrik, Lindpaintner, darauf hinsteuerte, die exzellenten Leonhardschen Betriebe in Villmar kalt zu stellen, um den Marmormarkt ohne Konkurrenz beherrschen zu können.

 

Nassauische Grenzsäule von 1823 in der Villa am Park in Weilburg

 

Unter Anleitung und Aufsicht von Meister Simon Leonhard fertigten später die Zuchthäusler die Säulen für den Saal des Gasthauses „Adler" in Wiesbaden aus dem Villmarer rotgrauen Marmor „Wieshohl", um 1837 aus den gepachtete Bruch der Stadt Runkel einen Marmorbrunnen für Idstein sowie den Sockel des Gutenbergdenkmals in Mainz. (W 211 Nr. 11574 Diez)

Dass ein reibungsloser Ablauf anstehender Steinbearbeitungen durch die meist ungelernten Häftlingen nicht immer leicht war, ist verständlich. Diese waren übrigens an einem Fuß mit einer 1.65 Meter langen Kette gefesselt, an der eine 20 Pfund schwere Eisenkugel befestigt war.

Um den oft unvermeidlichen Ärger und anfallenden Steinstaub herunterzuspülen, war Branntwein ein erprobtes Mittel beim Bewachungspersonal. Offenbar hatten Anfangs Januar 1824 der Werkmeister Simon Leonhard und sein Unteraufseher Kasteleiner etwas zu tief ins Glas geschaut und dadurch ihre Aufsichtspflicht bei den Häftlingen vernachlässigt. Wie ein Protokoll festhält, erhielt Leonhard eine sechstägige und Kasteleiner eine viertägige Haftstrafe als Buße. Sie mussten während der Arbeitszeit der Züchtlinge in den Arbeitssälen anwesend sein sowie die Nächte in einer heizbaren Stube im Zivilarrest verbringen. Ihnen wurde gestattet, ein Bett ins Schlafzimmer zu bringen, „geistige" Getränke aber waren strengstens untersagt. (W 409 Nr. 60 Diez, S.1)

Simon Leonhard verstarb am 3. April 1837 als Witwer und pensionierter Werkmeister in Diez. Trotz seiner Leistungen und seines Fleißes blieb er arm wie eine „Kirchenmaus". ein Dilemma, das vielen Experten seiner Art widerfuhr. Seinen Söhnen Engelbert und Peter- Johann hinterließ er keine materiellen Güter, wohl aber den Sachverstand des hochverdienten Vaters. (W Abt. 409.1 Nr.60 Diez.)

zurück