Gab es eine römische Niederlassung in Villmar?

von  Lydia Aumüller

Dass Villmar im Jahre 1053 erstmals urkundlich erwähnt wurde ist unzweifelhaft bekannt. Wie lange der Königshof – Vilimar—schon vorher existierte, liegt allerdings im Dunkeln.

Das Hessische Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden verwahrt interessante Notizen des Oberschultheißen Ferdinand Weychardt, der von 1837-1844 in Villmarer fungierte. Darin hält Weychardt fest, dass möglicherweise schon Römer vor 2000 Jahren bei Streifzügen vor dem „Limes“ auf dem Areal des Königshofes Villmars biwakten

Grabungen

Im Jahre 1840 richtete Weychardt ein Schreiben an die Herzogliche Landesregierung in Wiesbaden, mit dem er um Genehmigung zur Anlegung eines notwendigen neuen Friedhofes im alten Burggarten und im Flurstück „Burg“ unterhalb der Kirche bat. Die Zustimmung für das Anliegen der Gemeinde wurde umgehend erteilt. Vor der Einweihung des Friedhofes im Jahre 1841 fertigte er einen Plan über das historische Gelände an und ließ vorsichtshalber Grabungen vornehmen.

Über die Ergebnisse schrieb er unter anderem, dass der Burggarten nebst seiner Umgebung, der Burg, auf einem Hügel liegt, an dessen Fuße die Lahn fließt. Er sei teilweise von einer circa 15 Fuß (4,50 m.) hohen Mauer umschlossen in dem sich früher zwei Türme befanden.  Diese Ummauerung, welche sich um den ganzen Flecken zog und weitere sechs Türme hatte, wären aus dem 13. Jahrhundert. Im Teil des Burggartens fand er bei den Grabungen noch ältere Mauer-Fundamente vor, welche mit den im 13. Jh. erbauten Mauern in keinem Zusammenhang standen, und offenbar aus weit früherer Zeit stammten, aber auch eine römische Münze. „Diese  ist von Silber, hat die Größe eines kleinen Sechskreuzerstückes und die doppelte Dicke eines solchen. Auf einer Seite befindet sich ein Kaiserkopf mit der Umschrift: Caesar. Augustus; auf der anderen Seite steht; ob. civis servatus; und diese dürfte um 18 v. Chr. geschlagen sein. Fundamente eines alten viereckigen Turmes, von welchem keine Sage existiert, befinden sich etwas weiter am äußersten Rande des Hügels. Diese Entdeckungen machten den Gedanken in mir rege, ob nicht vielleicht ein römisches Festungswerk an dieser Stelle gestanden habe, welche Vermuthung bei mir zu Gewißheit wurde, als ich im Jahre 1842 eine römische Wasserleitung entdeckte, die unzweifelhaft nach jenem Befestigungswerk führte“, so Weychardt.

Nutzten Römer die Quelle?

Weiter schreibt Weychardt, dass er 1842 eine viertel Stunde oberhalb Villmars (Richtung Weyer) in einem Wiesental eine bisher unbekannte gefasste Quelle fand, von deren Existenz bisher niemand wusste. Die Quelle selbst war zum Erstaunen der Bewohner Villmars und aller Sachverständigen sehr gut gefasst und zwar so, wie man damals Mineralbrunnen zu fassen pflegte. Die Fassung bestand aus fünf starken, steinernen Platten, jede ca. 3 Schuh (90 cm) kantig, nämlich einer Bodenplatte und vier aufrechtstehenden Platten, welche den Kasten bildeten  Die Bodenplatte hatte in der Mitte eine oval geformte Öffnung, aus der die Quelle emporstieg. Ferdinand Weychardt notierte, dass 1842 die Quelle mit einer neuen Umfassungsmauer und mit einem Deckel versehen wurde. Diese lieferte ca. 40 Maß Wasser (= 80 Liter) in der Minute, das nach Villmar geleitet wurde. Er ließ einen 400 Fuß (1, 2 km) langen und 10 Fuß (3 m ) tiefen Graben ziehen und fand dabei viele römische Tonrohre, in derselben Form und Qualität, wie sie im Museum aufbewahrt wurden, dem er ein gefundenes Tonrohr zur Verwahrung übergab.. In der Nähe der Quelle entdeckte er ein kleines Hufeisen von eigentümlicher Form, das er dem Prinzen Max von Wied schenkte, der es als ein römisches erkannt haben wollte.

Vermutungen des früheren Schultheißen

„ Die Burg mit ihren alten, unter den später aufgeführten liegenden und zum Teil in ganz anderer Richtung laufenden Mauerresten, die römische Münze, die römischen Tonrohre, das Hufeisen und die Quellenfassung dürften meiner Meinung ein vollständiger Beweis  sein, daß sich hier eine römische Niederlassung befunden habe“, so die Folgerung Weychardts im Mai 1856, damals Buchhalter des Geschichts- und Altertumsvereins Wiesbaden.

Nachforschungen

Nach über 150 Jahren sind die benannten römischen Fundstücke nicht mehr auffindbar. Im Bestand des Hessischen Landesmuseum in Wiesbaden sind, laut Mitteilung von Dr. Günther Kleineberg vom 11 .6. 2003, Leiter der Sammlung Nassauischer Altertümer, weder die römische Münze oder römische Tonrohre noch ein römisches Hufeisen aus Villmar vorhanden. Nur der Grundriss eines rechteckigen Turmes, der auf einem Villmarer Plan um 1740 als alter Festungsturm beschrieben wurde, ist im ehemaligen oberen Friedhof an der Kirche (früher  Thingstätte später Burggarten) noch erkennbar. Ebenfalls vorhanden ist der Quellenschacht rechts der Kreisstraße nach Weyer, dessen Quelle bis um 1973 der Wasserversorgung Villmars angeschlossen war.

Auch Frank Berger, Mitarbeiter des Historischen Museums Frankfurt/Main, teilte auf Anfrage am 21.8. 2003 mit, dass der Augustusdenar aus Vilmar, registriert unter der Nummer 1131.1, wohlbekannt sei. Demnach kam das Stück, ein Denar des Augustus, geprägt 19 v. Chr. in einer spanischen Münzstätte, nach Wiesbaden, ist dort wie bereits erwähnt nicht mehr nachweisbar.
Eine zweite römische Münze aus Villmar ist ein As des Trajan, gefunden in der   der Burgstraße, in Wiesbadener Museum eingetragen unter Nr. LA EV 83/63. Fundort in Villmar.

Nachwort

Es ist allgemein bekannt, dass die Römer von dem besetzten Teil Germaniens aus Erkundungszüge nach Osten unternahmen und auch mit den germanischen Stämmen Handel trieben. Sie waren Meister im Bau von Brunnen und Wasserleitungen. Dennoch reichen die von Oberschultheiß Weychardt gefundenen Altertümer nicht aus, seinen Schlussfolgerungen zuzustimmen. Die deutschen Stämme haben aber schon unter den Merowingern und Karolingern viele Techniken der Römer übernommen und möglicherweise schon lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung Villmars hier eine Siedlung errichtet, aus der sich der 1053 verschenkte Königshof entwickelte, der neben Gebäuden für Gesinde und Landwirtschaft auch eine Wasserversorgung benötigte.

Abb..  Villmar um 1840, Original im Landesmuseum Wiesbaden
Nr. 1. Burggarten mit Fundstelle der römischen Münze. Grundriss des alten Turmes
Nr.2. ehemaliger Burgplatz 
Nr.3  die Lahn