Peter- Paul-
Garde" Villmar, Böllerschüsse von anno dazumal. Bräuche
- Tradition - Feste - Ursprung ,- Bedeutung und Wandel ©
Text u. Fotos von Lydia Aumüller
Der Flecken Villmar
besaß schon um 1250 eine Befestigungsanlage,
die im Laufe der Zeit mehrmals zerstört, dann wieder aufgebaut
und verstärkt wurde.
Mehrfach sind
Belagerungen seit dem 13. Jahrhundert belegt. Aus dem Jahre 1562
ist überliefert,
welche Bürger mit welchen Waffen die Wehr auf den Türmen und
Toren zu übernehmen hatten. Ein genauer Plan, signiert und
datiert von dem Trierer Baumeister Ravensteyn am 23. Mai 1699,
zeigt den Mauerring mit drei Toren und 10
Türmen. Eine weitere Tuschzeichnung um 1740 hält schemenhaft
Pforten und Türme der Befestigungsanlage Villmar fest, die um
1830 zum größten Teil abgebaut wurden.
Die erste
überlieferte Feuerwehrordnung stammt sogar aus dem Jahre 1557
mit Angabe über Ausrüstung und die
dafür verantwortlichen Bürger. Es darf als selbstverständlich
angenommen werden, daß die Wachen und Wehren nicht nur bei
Notfällen zusammen kamen; schließlich mußte geübt, Strategie
entwickelt und Verbesserungen der
Einrichtungen beraten werden. Solchen Übungen schloss sich
des öfteren ein freundschaftliches Beisammensein mit Umtrunk
an.
Nach der
Schenkung des königlichen Besitzes in Villmar im Jahre 1053
durch Heinrich III an die Abtei St.
Eucharius/Matthias Trier, hatten die Villmarer diesem und
später auch dem Erzbischof von Trier als Landesherrn zu
huldigen. Im Laufe der Zeit übernahmen
die etablierten Wehren als Garden dabei eine wichtige
Rolle - schließlich wurden nach Einführung der Feuerwaffen
Salutschüsse abgegeben.
´Zum Beispiel
ritt 1586 Kurfürst Johann von Schönborn mit etwa 90 Pferden in
Villmar zur fälligen Huldigung ein. Die Bürger
begrüßten ihn mit vielen Salutschüssen und einem Faß (
Villmarer ?) Wein. Unter demselben
Prachtaufwand fanden auch nachfolgende Huldigungsenakte der
Villmarer Bürgerschaft in Limburg statt und zwar 1692, 1678,
1756.
Ehre wem Ehre
gebührt, war die Devise bei feierlichen Prozessionen wie an "Corpus Christi" im Jahre 1706. Damals
verpulverten die Schützen einen Rheinischen
Gulden und acht Albus. 1732 betrug die Rechnung für die
Salutschüsse an Fronleichnam zwei Gulden und fünf Albus für
zwei Pfund Pulver. Sendprotokolle nennen
1744 namentlich drei Bürger, die sich beschwerten, dass von
dem bereitgestellten Pulver 1/2 Pfd. verschwand und der Rest
sogar mit Speichel so naß gemacht wurde,
dass während des "Hohen Amtes" nicht geschossen
werden konnte. Die Übeltäter wurden zur Rechenschaft gezogen.
Wahrscheinlich
fanden auch ab 1721 zum Patronatsfest Peter und Paul
Salutschüsse zur Messe und Prozession statt. Vereine
und eigene Satzungen waren früher bei den Obrigkeiten nicht
beliebt, sie wurden als Keimzellen für
Revolutionsgedanken angesehen. Nach der Etablierung
zweier Gesangvereine (1835 Kirchenchor, 1836 Gesangverein "Teutonia")
dauerte es in Villmar bis 1871 ein
Krieger- und 1887 der Militärverein "Germania" (Zum Vergrößern
auf Bild klicken)
gegründet wurde. Letzterer
hatte sich zur Aufgabe gestellt, bei weltlichen und
kirchlichen Festen und Feiern, mit ihren schmucken preußischen
Uniformen, Gewehren und Säbeln, sowie dem
Böllerschießen ihren Teil als Repräsentationsgarde
beizutragen. Sie setzten damit eine alte, eigenständige
Villmarer Lokaltradition fort.
Jedenfalls ist bekannt, dass der Militärverein Germania
seit seiner Gründung im vorigen
Jahrhundert besonders an Peter und Paul, als Villmarer
Nationalgarde präsent war. Eine besondere Ehrerbietung galt der
Begleitung des Allerheilgsten während der Prozession, wobei
ausgebildete Schützen weithin hörbar das
Ereignis mit Böllerschüssen ankündigten. (Bild.)
Das NS-Regime
setzte dieser Tradition durch das Verbot aller Vereine im Jahre 1936 ein Ende. Erhalten geblieben sind bei der
älteren Generation die Erinnerung an die Mitwirkung des Vereins
bei kulturellen und kirchlichen Veranstaltungen der Gemeinde,
sowie einige Bilddokumente.
Dank
der Umsicht des Vereinswirtes Hugo Dill
und dessen Sohn Josef Dill, konnte die farbenfrohe Fahne
des Militärvereins über die Wirren der Kriegszeiten gerettet
werden .
Sie findet heute
noch große Bewunderung.
(Zum Vergrößeren
auf Bild klicken)
Wiedergründung
Anno 1980
stellten sich einige beherzte Villmarer die Aufgabe, das Geschichtsbewusstsein
durch Rückbesinnung
auf alte Tradition zu stärken und zu fördern. Sie
gründeten die Peter - Paul - Garde. Die Vereinsmitglieder
wählten als Major Willi
Müller , Hauptmann Günter Dill, Adjutant Robert Speier. Für
ihren ersten Auftritt zum Appell an Peter
und Paul wurden Uniformen ,Gewehre und Säbel wegen
fehlenden Geldmitteln geliehen.
Die Fahne
Heute zählen zum
Vereinseigentum eine Fahne mit dem Emblem des Villmarer Gemeindewappen.
Das Herzschild des Wappens zeigt die eigentlichen ortsgebundenen
Wappensymbole im schwarzen Feld: den silbernen Schlüssel des
ersten Villmarer Kirchenpatrons des Apostel Petrus und die
Hellebarde das Martyriumszeichen des zweiten Villmarer Patrones
St. Matthias. Diese Hellebarde des St.
Matthias war Zeichen der Wehrhaftigkeit des Fleckens Villmar,
auf dessen Türme und Mauern die
Bürgerwehr einst Wache und Posten stand. Der
Schlüssel weist auf die Vorgänger der heutigen Pfarrkirche
hin, die bereits vor der ersten Benennung
Villmars im Jahre 1053 Bestand hatten, denn solche alten Kirchen
erhielten Petrus als Namenspatron. Der Petrusschlüssel, ein
Symbol der Herrschaftsgewalt
frühmittelalterlicher Zeit, deutet ebenso auf die Verschluss und Beschlußberechtigung der Schultheißen und
Schöffen, von Bürgermeistern und Gemeinderäten.
Eine Kanone
1992 erhielt der Verein
durch den Sponsor Architekt Wolfgang Müller, Villmar, die
Nachbildung einer mehr als 300 Jahre alten Kanone und damit eine
Bereicherung zu lautstarkem "Ballern".(Abb.) Vorhanden sind außerdem dreiundzwanzig schmucke
Preußische Uniformen ,ebenso viele Helme
mit dem Hessenadler, zwanzig 88er Gewehre, sechs Säbel, die bei
der Anschaffung von der Villmarer Großgemeinde (7 500 Einw.
davon Ortskern Villmar 3 500 Einw.) mit finanziert wurden. Der
Verein zählt derzeit 126 passive- und 30 aktive Mitglieder.
Böllerschüsse
Schon nach Kriegsende hatte
die Kerngemeinde Villmar die Tradition des Böllerschießens an
Peter und Paul wieder aufgenommen. Seit 1948 sorgt Karl Scheu aus Villmar ehrenamtlich als
Sprengberechtigter für einen reibungslosen Ablauf der
Salutschüsse an Peter und Paul. Unter
Mithilfe von zwei Schützen werden vier alte Böller auf dem
"Haarberg", einer linken
Lahnhöhe in Richtung Dorfmitte, in "Stellung"
gebracht. Die über 300 Jahre alten.
gemeindeigenen Böller heißen im Volksmund "Katzekipp".
Sie müssen alle vier Jahre ordnungsgemäß beim
Staatlichen Beschußamt in Mellrichstadt
beschossen und mit Nummern registriert werden. Jeder Böller
wiegt etwa einen Zentner und hat eine
Länge von 40 cm und ein Kaliber von 41 Millimetern. Früher hat
man diese Kanonen mit Zündkraut auf der vorhandenen
Pulverpfanne durch einen glühenden Eisenstab gezündet. Heute
werden sie mit einem elektrischen
Satzauslöser zum Schuß gebracht. Als Vorlage zur Verdämmung
dient hierbei Papier. Nach Gründung der Peter-Paul-Garde wurden
diese Aktivitäten in den Aufgabenbereich der Garde
integriert.
Festprogramm an Peter und Paul
Samstags um 16.oo Uhr
künden neun Böllerschüsse, begleitet vom Glockengeläute der
Kirche St. Peter und Paul den Feiertag an. Am Abend findet bei
schönem Wetter das traditionelle Lampionfest auf dem Schulhof
bei der Kirche statt. Geweckt wird die
Bürgerschaft am Sonntag morgen um 7,00 Uhr mit neun
Böllerschüssen und den Klängen der Choralbläser vom
Kirchturm. Zum Geläute des Gottesdienstes (Beginn 9 Uhr)
erschallen wiederum neun Böllerschüsse. Nach
dem Festhochamt führt die anschließende Prozession, begleitet
von der Peter-Paul-Garde, durch den mit Fahnen geschmückten
alten Ortskern zurück zur Kirche. Dazu donnern über 30 mal die
alten "Böller" vom " Haarberg". Danach
trifft sich die Garde zum Appell am Rathausplatz. (Abb) Unter
den schmissigen Klängen der Musikkapelle schreitet Major Robert
Speier und der Schirmherr, die Front der Ehrengarde ab. Unter
der Leitung von Schießmeister Karl Scheu werden zum Abschluß
des Appells am Brunnenplatz aus der Nachbildung einer 300Jahre
alten Kanone drei Schüsse abgefeuert. Angeführt von der
Musikkapelle marschieren Garde und Zuschauer zum alten Schulhof,
wo bis in die Abendstunden ein gemütliches Beisammensein
stattfindet. Für Bewirtung und Kinderbelustigung sorgen die
Mitglieder der Peter- Paul- Garde.
Von Pikanterie war 1981 das
Verbot für eine Teilnahme der "Garde" an der Prozession
mit voller Montur und Gewehr, wegen negativer Erinnerung an
Symbole der Vergangenheit. Der damals
amtierende Pfarrer und der Pfarrgemeinderat konnten nach ihrer
Meinung nicht verantworten, dass
Teilnehmer der Prozession, bei gottesdienstlichen Handlungen,
mit militärähnlichen Aufzügen einer umstrittenen
Vergangenheit konfrontiert würden. Die
Einwohnerschaft war damals geteilter Meinung. Eine
Wende in dieser leidigen Sache wurde 1996 von dem heutigen
(2002) Amtsinhaber der Pfarrei Pfarrer Günter Daum vollzogen.
Wie ein Bild festhält marschiert die Garde, ohne Gewehr aber in
Uniform, hinter dem Allerheiligsten während der Peter und Paul
Prozession. Der Ehrensalut der Peter - Paul - Garde mit
Musikbegleitung galt 1996 den Ehrengästen des Festes, und zwar
:
- dem Abt der
Benediktinerabtei St. Matthias von Trier, Ansgar Schmidt,
dem
- hiesigen Pfarrer Günter
Daum, dem Ehrenbürger der Gemeinde, Pfarrer i. R.
- Nikolaus Homm, und nicht
zuletzt
- dem amtierenden
Bürgermeister der Gemeinde Villmar, Hermann Hepp.
Die Villmarer
"Nationalgarde" ist inzwischen weit über die Grenzen
bekannt geworden, denn sie hat regelmäßig Treffen mit
Gardisten aus der Umgebung und nimmt an
Feierlichkeiten benachbarter Städte und Dörfer teil . So unter
anderem mit den Diezer Kadetten, Koblenzer
Stadtsoldaten, Königsteiner Ritter, Landsknechten Schadeck und
Runkel, Garden aus Weilburg, Braubach, Schlüchtern,oder
dem Militärfestival der Bundeswehr in Koblenz. . Mehrmals war die Peter- Paul- Garde bei den beliebten
Umzügen der "Hessen-Tage"präsent und zwar 1982 in
Wächtersbach, 1983 Lauterbach, 1984 Lampertheim, 1985 Alsfeld,
1988 Hofheim und 1993 in der Stadt Lich.
Literatur- und Quellennachweis:
Diözesanarchiv Limburg; Pfarrarchiv Villmar; Gemeindearchiv
Villmar; HHSTA Wiesbaden.(Plan um 1740) Landeshauptarchiv
Koblenz. (Plan 1699);Chronik :Villmar -Geschichte und Gestalt
-von A.M. Kuhnigk 1976; Chronik: Villmar -Grundherrschaft /
Vogtei / Pfarrei- von J. Hau.1936;Mitteilungen von
Privatpersonen der Gemeinde Villmar, und mündliche
Überlieferungen.
Wiedergründung:
Auf Initiative von Willi Müller senior (+) und Günter Dill (+) erfolgte 1980 die Wiedergründung der Peter-Paul-Garde
Villmar.
26 Aktive, zwar ohne Uniformen und Ausrüstung, aber mit viel
Idealismus, hatten sich in Rückbesinnung auf eine alte Tradition
zur Vereinsgründung eingefunden.
Im Laufe der letzten 22 Jahre ist die Garde ein fester Bestandteil
im Villmarer Vereinsleben geworden.
Höhepunkt der vielfältigen Aktivitäten des als gemeinnützig
anerkannten Vereins ist die jährliche
Ausrichtung eines Lampionfestes und des Frühschoppens auf dem
"Alten Schulhof' anlässlich des Patronatsfestes Peter und
Paul.
Hinzugekommen sind Auftritte und Besuche bei befreundeten Garden
und die Teilnahme an
verschiedenen Hessentagen als Vertreter der Gemeinde Villmar.
Bild:1989: Günther Dill,
Willi Müller
Ausrüstung:
Die Garde kann heute auf einen zufriedenstellenden Ausstattungs-
und Ausrüstungsstand
verweisen.
Dank der Spendenbereitschaft der Villmarer Bevölkerung,
großzügiger Gönner und dem ideellen, aber
auch finanziellen Einsatz der Aktiven, konnten im Laufe der Jahre
die notwendigen Anschaffungen vorgenommen werden.
Im Jahre 2002 wird die Garde eine neue Standarte anschaffen. Die
Fahnenweihe wird am 29. Juni auf
dem "Alten Schulhof' stattfinden.