Im Jahre 2006 feierte Villmar zum 257. Mal Kirmes.
Fotos, Repros und Text: © Lydia Aumüller



Frage: Warum feiern wir Kirmes? „weil es Tradition in Villmar ist“ so die Antworten vieler Jugendlichen und Zeitgenossen, die es nicht besser wissen oder vergessen haben, dass diese Tradition der Weihe der in den Jahren 1746 bis 1749 fertig gestellten neuen Pfarrkirche St. Peter und Paul ihren Ursprung hat.

Diese Kirchweihe, im Volksmund „Kermes“ genannt, feierten die Villmarer jetzt zum 257. Mal.( Foto:2004 Festmesse mit Weihbischof Robert Brahm, Trier) Aus diesem Anlass zelebrierte am Sonntag, den 10. September 2006 um 9.30 Uhr Dekan Günter Daum ein festliches Hochamt. Die musikalische Mitgestaltung des Gottesdienstes hatte der Villmarer Kirchenchor St Peter und Paul übernommen. Wie von alters her waren auch die diesjährigen Kirmesburschen, mit ihren beschrifteten Hemden Jahrgang 1986 und mit vielen bunten Bändern geschmückten Hüten in der Festmesse präsent, die mit dem Lobgesang endet: „Ein Haus voll Glorie schauet ….O lass im Hause dein uns all geborgen sein“. Anschließend bringen die Kirmesbuschen mit musikalischer Unterstützung Dekan Günter Daum und Bürgermeister Hermann Hepp am barocken Matthiastor das obligatorische Ständchen. ( Foto: 1966, Bürgermeister Hubert Aumüller mit Kirmesburschen)Danach wurde die Kirmes als Volksfest im Zelt auf dem alten Schulhof, weiter gefeiert. Die Ausrichtung der Zeltveranstaltungen übernahm in diesem Jahr der Sportverein Villmar. Vieles ist noch vom alten Brauchtum übrig geblieben. Neben dem bereits erwähnten Kirchgang der Kirmesburschen trafen sich auswärts wohnende ehemalige Villmarer mit ihren Verwandten und Freunden in Kirche und Festzelt

Viele Schaulustige begleiteten den Zug der Kirmesburschen, die mit Musik den Kirmesmann ( eine Strohpupe) in einer verwaisten Marmorgrube unterhalb der König- Konrad-Halle ausgruben und ihn nach den Festtagen wieder dort beerdigten. Dieser Brauch könnte ein Überbleibsel alter heidnischer Gebräuche sein.

Rückblick

Mit Unterstützung der damaligen Zivilgemeinde, die sich im Jahre 1730 vertraglich mit dem Grund- und Pfarrherrn Abt Modestus Manheim , Trier, verpflichtet hatte, Holz für den Neubau sowie die Errichtung des Kirchturms mit Glocken und Uhr zu übernehmen, gelang der Pfarrgemeinde von 1746 bis 1749 ein bewundernswertes sakrales Bauwerk.
Anno 1746 legte der beauftragte Planer und Baumeister Thomas Neurohr aus Boppard im April und September im Beisein geistlicher und weltlicher Honoratioren die Grundsteine für Kirche und Kirchturm. Pater Egbert Fuchs, damals Kellereiverwalter, nahm für den Bau und die Einrichtung des neuen Gebetshauses unter anderem Maurer, Maler, Schreiner, Bildhauer und Steinhauer unter Vertrag, deren Arbeit und Kunstwerke heute noch Bewunderung findet.

Die Weihe des Gotteshauses nach der Fertigstellung am 13 Oktober 1749 erfolgte durch den Villmarer Pfarrer Placidus Cäsar, der die Benedizierung nach römischen Ritus vornahm. Hierzu hatte ihm der Trierer Weihbischof Lothar Friedrich Nalbach die Vollmacht erteilt. Eine Konsekration der Kirche durch den Trierer Erzbischof sollte später erfolgen.

Am 8. September 1752 kündigte der Erzbischof, der In Limburg zur Firmung weilte, sein Kommen mit Gefolge beim Villmarer Pfarrer Placidus Cäsar an. Dieser nahm Rücksprache mit dem damaligen Bürgermeister Johann Peter Brahm, ob jetzt die Gemeinde die neu errichtete Kirche feierlich geweiht und dediziert haben wolle. Er erinnerte an das Jahr 1652, als am 9 August der Trierer Bischof Otto von Azot, nach der Weihe des Villmarer Hochaltares sowie der großen Glocke, Honorar und eine Mahlzeit mit Wein von der Gemeinde erhalten hatte.

Bürgermeister Johann Peter Brahm rief seinen Rat zusammen, der zu dem Entschluss kam, dass die Gemeinde wegen leerer Kasse, die Bewirtungskosten für den Herrn Konsekrator und seinem Gefolge nicht übernehmen könne. Eine mutige, klare Entscheidung des Bürgermeisters und seines Rates, die der Pfarrer zur Kenntnis nahm. Dieser befürchtete aber, dass als Folge die Kirche niemals konsekriert würde. Daher wäre zu Recht der Jahrestag der Dedikation, also Feier einer Weihe der Kirche, abzuschaffen. Schließlich sei die alte Vorgängerkirche , deren Alter niemand mehr kenne, ganz abgerissen und für die jetzt bestehende keine Grundlage vorhanden.

Im Klartext: Dann könne auch keine Kirmes gefeiert werden.

Wie wir heute wissen, wurde seit jenen Tagen trotzdem weiterhin die Kirmes als Kirchen- und Volksfest gefeiert. Erst im Jahre 1957, nach dem Kirchenanbau, fand die längst fällige Konsekrierung durch den Limburger Bischof Dr. Wilhelm Kempf statt.

Allen voran ist für das neue Gotteshaus zu danken dem Vorsteher der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier, Abt Modestus Manheim, der diesen Bau und dessen barocke Einrichtung als Kunstmäzen forcierte. Schon während seiner Amtszeit als Pfarrer von Villmar in den Jahren 1721 bis 1727, sorgte er 1722 für einen neuen Taufstein aus heimischem Marmor, den er in der alten "Basilika" einbringen ließ. Pfarrer Modestus wirkte hier sieben Jahre als Seelsorger und wusste um die starke Baufälligkeit der Vorgängerkirche, deren Alter niemand mehr kannte. Von Villmar aus wurde er 1727 als Abt des Benediktinerklosters in Trier bestellt. So ist verständlich, dass er schon 1730, die Weichen für einen nötigen Kirchenbau in seiner alten Wirkungsstätte stellte. ( Foto: Abt Modestus Manheim) 



Seit jenen Tagen amtierten in der hiesigen Pfarrei bis heute 17 Ortsgeistliche, darunter 7 Patres aus dem Orden der Benediktiner von Trier und nach der Säkularisierung weitere 10 weltliche Geistliche: Gregor Mittelbach 1728 -1751, Egbert Fuchs 1756 -1766, Thaddaeus Moreth 1766 -1774, Josef Obser 1774 -1781, Georg Stab 1781-1787, Jakob Horst 1787-1789, Martin Hewel 1790-1832. Als Weltgeistliche: Philipp Hilb 1832-1849, Philipp Munsch 1850-1865, Josef Orth von Januar 1866 - April 1865, Martin Kremer 1865 - 1868, Johannas Ibach 1868 -1908, Wilhelm Schmidt 1908 -1924, Peter Weyand 1924 -1952, Nikolaus Homm 1952 -1976, Klaus Dieter Meurer 1976 -1994 sowie Günter Daum seit dem Jahre 1994 als Letzter in der Kette.



Ablösung des Vertrags

Erstmals in der Villmarer Geschichte ist die katholische Kirchengemeinde zukünftig für den Erhalt des Gotteshauses, Kirche, Turm, Uhr und Glocken verantwortlich.

Nach dem am 30. August 1730 geschlossenen Vertrag zwischen der Abtei St. Matthias in Trier und den Gemeinden Villmar und Arfurt, hatten sich damals die Zivilgemeinden zum Bau und Unterhaltung des Turmes verpflichtet. In den zurückliegenden Jahrhunderten löste die Gemeinde Villmar immer ihr Versprechen ein. Dieses Dokument, das eigentlich von Alters her für immer und ewig gelten sollte, wurde im 21. Jahrhundert abgelöst. „Es geschehen noch Zeichen und Wunder“ würden Abt Modestus Manheim, von Trier, sowie Schultheiß Wilhelm Lothar Rompel aber auch die Bürgermeister Johannes Geis aus Villmar und Philipp Geis aus Arfurt sagen, die damals , neben weiteren Repräsentanten, das 22 Punkte umfassenden Dokument zum neuen Kirchenbau besiegelten.

Hier heißt es unter anderem: "Erstlich mit den zu Gottes Ehren gewidtmeten Kirchen=bäwen, welcher paßus mit vorheriger Reservation dahin verglichen, daß soviel den Kirchen-Thurm (als nach unpartheyscher erkäntnus selber abgeworffen, und neuerlich aufferbawert werden müßte), Uhr, nechst Klocken und Zugehör anbelanget, deßen Erbawung die Gemeindt Villmar und Arfurt auff ihre Kösten über sich nemmen sollen undt wollen... Viertens die Künftige Unterhaltung, so wohl des Thurms als Kirchen=gebäu betrifft, ist Verabscheidet...“

Einem neuen Rahmenvertrag zwischen dem Land Hessen, den kommunalen Spitzenverbänden und den Verantwortlichen der Kirchen, stimmten am 1.1. 2004 folgende Verantwortliche zu:

für das Land Hessen, Ministerpräsident Roland Koch, Bernhard Brehl als Erster Vizepräsident Hessischer Städte- und Gemeindebund, Dr. Eberhard Fennel, Vizepräsident Hessischer Städtetag und Karl-Christian Schelzke, sowie der Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städte- und Gemeindebundes.

Für den Amtsträger der katholischen Kirche im Bistum Limburg: Professor Dr. Franz Kampfhaus, Bischof von Limburg, für die evangelische Kirche in Hessen und Nassau Professor Dr. Dr. H. c. Peter Steinhacker.

Diesem Vertrag unterzeichneten: für die Gemeinde Villmar, Bürgermeister Hermann Hepp und Erster Beigeordneter Günter Zanner, für die katholische Kirchengemeinde der amtierende Dekan Günter Daum sowie der Vorsitzende des Villmarer Pfarr-Verwaltungsrates Wolfgang Friedrich am 26.Oktober 2004 zu. „Ein denkwürdiger Tag, der in die Geschichte eingehen wird“ meinte Pfarrer Günter Daum. Der Vertrag sieht letztlich als Ablösungssumme der Gemeinde zur Baulast für den Villmarer Kirchturm einen Betrag von insgesamt 66.466.22 Euro vor. (Foto: Dekan Günter Daum mit Abtstab)

Übrigens. Die Pfarrkirche St. Peter & Paul erhielt inzwischen den zweiten Turm, denn in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1884 schlug mit entsetzlichem Schlage der Blitz in den ersten schönen Turm, der wie eine Fackel verbrannte. Unter der Amtszeit von Bürgermeister Johann Laux wurde der heutige Turm am 10.Juli 1885 im Beisein der Einwohnerschaft feierlich von Pfarrer Johannes Ibach geweiht. Stefan Schuh, Mitarbeiter des Vermessungsbüros Schneider, Limburg, stellte 2003 mit einem modernen Messgerät die genaue Höhe das Turmes von der Oberkante des Kirchenfußbodens bis zum höchsten Punkt des Wetterhahnes mit 59,29 Metern fest. Bleibt zu hoffen, das Kirche und Turm auch für die kommenden Generationen unseres Marktfleckens als Wahrzeichen dominiert.