Die letzten Villmarer Juden
Am 11. November 1941 erfolgte für sechs Villmarer Juden die Deportation in das Vernichtungslager Minsk/Polen
von Lydia Aumüller



Die Forschungs- und Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem verwahrt in ihrem Archiv namentlich viele Juden, die während der Nazizeit ermordet wurden

Für jeden einzelnen ist ein Gedenkblatt vorhanden, auf dem Name und Lebensdaten sowie letzter Wohnort verzeichnet sind. Bei Nachforschungen im Internet über ehemalige Villmarer Juden traten per Mausklick bei The Central Dabatase of Shoah Victims’ Names neue Erkenntnisse zu Tage. 

Leider sind oft die Ghettos als letzten Wohnsitz erwähnt, in denen viele bis zu ihrem Transport in die Vernichtungslager leben mussten. Das führt allerdings bei Nachforschungen zu Unklarheiten, denn dadurch ist nicht erkennbar, in welcher Gemeinde die Juden oft über Generationen lebten. Zum Beispiel zählen vier Villmarer Personen der Familie Ackermann, die 1938 zwangsweise nach Mainz verzogen, als Mainzer ermordete Juden. Nicht zuletzt hat man in Yad Vashem die Angaben in den heutigen Dokumenten durch Umfragen bei Behörden oder noch lebenden Zeitzeugen über Jahre ermittelt und gesichert.

Für Villmar sind 12 ermordete jüdische Mitbürgern wie: Ackermann Josef *1885, Ackermann, Berta geb. Adler, *1890, Ackermann, Leopold, * 1922, Frank Betty geb. Ackermann, * 1885, Rosenthal Salomon (Sally) * 1897, Gutheim Isidor, * 1865, aber auch die Familie Rudolf und Berta Löwenstein sowie Gertrud Isenberg mit Sohn Fred dokumentiert..


Familie Isenberg

Wir wissen neuerdings, dass drei Töchter des um 1927 verstorbenen Villmarer Ehepaares Simon und Minna ..Isenberg mit ihren Ehemännern und Kindern, insgesamt 14 Personen, in den Vernichtungslagern ermordet wurden und zwar:



Irma Isenberg *1896, verheiratet mit Ernst Lipmann in Hadamar sowie Tochter Brigitte * 1926 in Hadamar.

Lucia Isenberg *1901, verheiratet mit Sally Nathan in Witzenhausen und deren Töchter Marion, *1930, Ursula *1931 und Norbert *1933..

Berta Isenberg *1902, verheiratet mit Rudolf Löwenstein, *1901 in Heringen und deren Kinder Lotte, * 1936 sowie Siegbert, * 1937, aber auch Schwiegertochter Gertrud Isenberg, *1912 und Sohn Fred,*1935 in Villmar.. Diese Angaben stammen im Jahre 1978 laut Dokument aus Yad Vashem von Selma Lahnstein geb. Herz, einer Cousine der Ermordeten, die damals in New York lebte.



Familie Löwenstein

Für die Villmarer jüdische Familie Rudolf Löwenstein bezeugte 1987 dessen Schwester Judith Mildner geb. Löwenstein (* 15. 3. 1898 in Heringen, gest.1985 in Freiburg), die Deportation der gesamten Familie nach Minsk/ Polen. Frau Mildner, deren Vater Abraham und Schwester Klara aus Heringen ebenfalls im KZ umkamen, musste als konvertierte Christin die Leiden im KZ Ravensbrück erdulden und konnte erst nach der Befreiung durch die Amerikaner zu ihren Familienangehörigen zurückkehren. Ihre Tochter Inge stellte jetzt freundlicherweise ein Bilddokument aus dem Nachlass der Mutter zur Verfügung, in dem die 1941 ermordeten Kinder Siegbert und Lotte Löwenstein um 1939 als Kleinkinder in Villmar lebten.



Was ging dem voraus?

Der Kaufmann Rudolf Löwenstein hatte 1935 nach seiner Heirat mit Berta Isenberg, Villmar als seinen künftigen Wohnort gewählt. Hier kam Tochter Lotte und Sohn Siegbert zur Welt.

Um 1938 bezogen sie ihre Wohnung in der Grabenstraße 62, dem ehemaligen Elternhaus von Berta. Hier wohnten auch der Bruder Lous mit Ehefrau Gertrud geb. Bär (*1912, Griedel) und deren Sohn Fred (* 1935). Rudolf Löwenstein arbeitet dort mit dem Schwager Louis Isenberg im Geschäft zusammen als Viehhändler.

Laut einer Akte (HHStAW) des Viehhandelsverbandes Hessen-Nassau war die Zulassung sämtlicher jüdischer Viehhändler mit dem 1.10.1938 erloschen. Jüdische Viehverteiler waren nicht mehr berechtigt den Viehhandel auszuüben. Nach dem Pogrom 1938 und einer vorübergehenden Inhaftierung von Louis Isenberg im KZ Dachau und Rudolf Löwenstein in Buchenwald, spitzte sich die Diskriminierung der Familien bedrohend zu.

Bemerkenswert ist, dass Louis Isenberg schon drei Wochen später am 28. August 1939[nach England emigrierte. Er wollte Frau und Kind nachzuholen, was ihm aber wegen Kriegsausbruch nicht mehr gelang, so seine Aussage bei seinem Besuch Villmars im Oktober 1952.

Das Ehepaar Rudolf und Berta Löwenstein geborene Isenberg, Sohn Siegbert und Tochter Lotte sowie Gertrud Isenberg geb. Bär (* 1912) und ihr Sohn Fred (* 1935).mussten am 3. Mai 1941 als letzte Villmarer Juden zwangsweise ihre Wohnung verlassen und wurden nach Frankfurt/Main, Hermesweg 6 gebracht.

Von dort ging der Leidensweg am 11. November 1941 bei der zweiten großen Deportation in das KZ Minsk. Sie sind seither verschollen.



Fotos: L. Aumüller

Das ehemalige jüdische Wohnhaus der Familie Isenberg/ Löwenstein in Villmar in der Grabenstraße


um 1939, Die Kinder Siegbert und Lotte Löwenstein mit der Cousinen Frau Mildner in Villmar



Löwenstein Rudolf, Vater der Kinder Lotte und Siegbert, vorne rechts.



Quellen:
Jerusalem Yad Vashem:The Central Dabatase of Shoah Victims’ Names 
Bilder zur Geschichte Villmars 1053 – 2003, l. Aumüller, Geschichte der Villmarer Juden S. 170-178 
Mitteilung , 11.6, 2007 von, Inge Steinebach ,Merzhausen
HHStAW Abt. 412,Oberlahnkreis
Standesamt Villmar und Witzenhausen