Villmarer Brauerei
von Lydia Aumüller, Villmar
Wann wurde in Villmar die Brauerei gebaut? Eine gute Frage, die im
Jahre 1989 per Zufall beantwortet werden konnte.
Zufällig wurde bei
Umbauarbeiten der ehemaligen Brauerei in der König- Konrad- Straße
im Juni 1989 eine Marmortafel gefunden, die eine oft gestellte Frage
nach dem Alter der Gebäude, denen vom äußeren Ansehen her einige
Jahrzehnte mehr zugetraut waren, richtig beantwortete.
Auf einem über 100 Jahre alten Foto ist die Brauereianlage erkennbar
und die Vermutung lag nahe, dass dieses dunkle Gemäuer schon viele
Jahre auf dem Buckel hatte. Doch der Schein trog. Die Umbau- und
Sanierungsarbeiten durch den heutigen Besitzer - Verein für Jugend-
und Drogenberatung - unter der Leitung des Architekturbüros, Wolfgang
Müller, Villmar, lüfteten unerwartet das Geheimnis
Bei einer notwendigen Treppenveränderung, so berichtet der dort
arbeitende Architekt Michael Fischer „fanden wir zufällig diesen
Stein, der bis dahin verdeckt als Stufe seinen
Dienst tat." Es handelt sich um eine Marmortafel in der Größe
1,20 mal 0,45 Meter aus „Schupbach schwarz", auf dessen
Vorderseite folgendes eingemeißelt ist: „Erbaut 1873 & 74 von
S. Kullmann". Wahrscheinlich schmückte sie ursprünglich die
Fassade des Hauses
Der Bauherr war Simon Kullmann 53 Jahre alt, damals Grubenbesitzer und
Hausherr des Gasthauses „Germania"-. Er war verheiratet mit
Anna Maria Simon, hatte zwei Söhne und Schwiegersöhne, die ihren
Beruf als Bierbrauer ausführten. Die im Familienbesitz befindliche
Brauerei ging vermutlich nach dem Tode des Erbauers 1879 an dessen
Tochter Anna Laux geborene Kullmann über, die mit ihren.
Familienangehörigen und zusätzlichen Arbeitskräften die Geschäfte
bis 1898 führte.
Beachtlich eine
Pressenotiz von 1880, in der zu lesen ist: „Am 23. März stürzte
das Pferd des Bierbrauers Peter Laux Villmar im Eisenbacher Walde, wo
Herr Laux Holz holte, tot zur Erde. Dasselbe war kurz vorher noch ganz
gesund und zeigte durchaus noch keine Spur von Krankheit."
Erhaltene Bierflaschen, eingeprägt mit dem Namen W. Laux (links),
sind heute noch Zeugen der Ära Brauerei Laux. Zudem verwahrt Volker
Baier, Weyer, eine Biermarke mit der Beschriftung: Bierbrauerei P.
Laux Villmar – Lahn, die er zufällig auf einem Grundstück im Areal
Limburger Weg im März. 2004 in Villmar gefunden hat. Wie und wann
diese, vor 130 Jahren gefertigte Werbemarke, an ihren Fundort gelangte
bleibt ein Rätsel.
Um 1898 fand der erste Besitzerwechsel statt. Der neue Firmenname
lautete „Union-Brauerei Villmar GmbH". (rechts) Immerhin
florierte das Biergeschäft bei neun Gaststätten im Flecken, denn der
Inhaber Josef Flink offerierte im Jahre 1911: „ Lager- und
Exportbier, hell und dunkel" unter der Telefonnummer 14, Amt
Runkel. Er gehörte somit zu den ersten 14 Telefonbesitzern im
heimischen Raum.
Die Nachwehen des
ersten Weltkrieges machten sich auch in der Bierbranche spürbar, und
so bot der Besitzer Flink 1919 der Gemeinde die Brauereigebäude für
Wohnzwecke an, die ihrerseits nach der Einholung eines
Kostenvoranschlages es vorzog, von einem Kauf Abstand zu nehmen. Die
Inflationsjahre 1923/24 brachten den wirtschaftlichen Ruin und
läuteten das Ende der einst blühenden Brauerei in Villmar ein. In
den zurückliegenden Jahren haben Grundstück und Gebäude insgesamt
achtmal den Eigentümer gewechselt. Versuche als Gärtnerei oder
Weberei hatten nicht die gewünschten Erfolge. Immerhin lebten die
Familien Weißbrodt über 50 Jahre als Eigentümer in der ehemaligen
Brauerei. Sie unterhielten während dieser Zeit unter anderem einen
ansehnlichen Schamottmischbetrieb, der zeitweise über 15
Arbeitskräfte beschäftigte. Dem Verkauf der Gebäude von der Firma
Weißbrodt an die Familie Greulich folgte einige Jahre später die
Teilung des Anwesens in zwei Eigentümer und zwar Frau Greulich und
deren Kinder sowie der Limburger Verein für Jugend- und
Drogenberatung , wie bereits erwähnt.
Während des letzten Krieges dienten die dicken, großen
Kellergewölbe, ehemals Lagerstätte für hundert Bierfässer, als
öffentlicher Luftschutzkeller für die Bevölkerung. Viele Bürger
suchten dort Zuflucht und Schutz bei den nicht ungefährlichen
Luftangriffen alliierter Flugzeuge, besonders in und den letzten
Kriegstagen und dem Einmarsch und der Besetzung Villmars durch die
amerikanische Armee am 27. März 1945.
Neun gewölbte Keller befinden sich im Tiefkellerbereich,
dazu führen fünf Erschließungsflure von je 60 qm, hier Architekt
Wolfgang Müller. Insgesamte Kellerfläche, 850qm.,
Villmar 2004; Gelände der ehemaligen Brauerei
Im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden konnte im Jahre 1988 die Autorin in den Stockbüchern von Villmar die Lage der Grundstücke finden, die Simon Kullmann als Käufer von der Gemeinde erworben hatte. Interessant war, dass es keinen Hinweis auf Tiefengewölbe unter den drei (Garten-) Grundstücken angezeigt wurde. Auch für den Bau der Kellereigewölbe, falls diese erst angefertigt werden sollten, bestand keine Zeichnung, geschweige denn eine Genehmigung. Sollten das, wie wir heute vermuten, Überbleibsel eines ehemaligen Brauerei-Kellers der Mattheiser Mönche gewesen sein, so wurden diese bewusst, von wem auch immer, untergebuttert. Jedenfalls fand man Mitte des 20. Jahrhunderts, bei Tiefbauarbeiten in einem nicht bisher bekannten Gang, angrenzend an das Wohnhaus zwischen der " Neugass" und dem "Millweg", im Eigentum der Fam. Flach (Bottches Gretche), ein leeres Weinfass, das zum Nachdenken anregte.