Luftterror über Villmar Ende 1944

Text , Fotos, Rekonstruktion; Lydia Aumüller

Immer öfter war in den letzten Kriegsmonaten 1944 die Lahnbahn das Angriffsziel alliierter Jagdbomber. Wegen der damaligen schwachen deutschen Luftabwehr konnten sie fast ungehindert nicht nur Wehrmachts- und Transportzüge, sondern auch Personenzüge mit Bordwaffen und Bomben angreifen.
In den Mittagsstunden Anfang des Oktober 1944 hatte soeben ein Personenzug von Limburg nach Weilburg fahrend den Villmarer Eisenbahn-Tunnel in Richtung Arfurt verlassen, als blitzschnell auftauchende alliierte „Jagdbomber" den Zug unter Beschuss nahmen. Resultat: Eine Tote und mehrere verletzte Reisende, die ahnungslos auf ihren Plätzen gesessen hatten. An den genauen Tag und die Stunde des Schreckens, konnten sich Zeitzeugen verständlicherweise nach 60 Jahren nicht mehr genau erinnern.
Bei den Standesämtern Villmar und Arfurt, letzteres gehört heute zur Stadt Runkel , wurde der Kriegssterbefall nicht beurkundet.. Auf Anfrage im Pfarrarchiv Villmar wusste Pfarrer Günter Daum hierzu Näheres mitzuteilen: „Es handelte sich bei der Toten um die 36-jährige Paula Maria Margarethe Bodden, die am 3. Oktober 1944 um 14.30 Uhr bei Arfurt, durch feindlichen Fliegerbeschuss im Zug getötet und am Samstag den 7. Oktober auf dem Villmarer Friedhof beerdigt wurde", so die Eintragung von Kaplan Manstein im Kirchenbuch, für Beerdigungen des Jahres 1944.Zur Person der Getöteten schilderte Regina Ringel geb. Höhler weitere Einzelheiten. In der damaligen gefahrvollen Zeit wohnte Frau Bodden mit ihrem Ehemann Theo und ihrer Tochter Cläremi, aus Düren, kurzweilig bei ihren Eltern Philipp und Käti Höhler. Theo Bodden hatte als kriegsbeschädigter gesundheitliche Probleme, die eine Behandlung im Weilburger Krankenhaus erforderten. Von Villmar aus wollte Frau Bodden ihren Ehemann besuchen. Durch ihren Tod hinterließ sie nicht nur den Gatten, sondern auch die gemeinsame achtjähriger Tochter.

Bombardierung
Im Dezember 1944 stand wieder eine Kriegsweihnacht bevor. Wie so oft heulte die Luftschutz-Sirene dreimal am Tage . Die Einwohner wußten Fliegeralarm! und rannten in die Luftschutzstollen oder in den vermeintlich schützenden Keller eines Hauses. Bisher waren die Gebäude in Villmar von Luftangriffen verschont geblieben, doch fielen mehrere Bomben in der Gemarkung , die riesige Krater in der Erde hinterließen. Auch auf dem Gelände "Mittelhölle", wo 1954 die neue Villmarer Schule errichtet wurde, ging ein Bombenblindgänger nieder, der jahrelang bei Bestellung des Grundstückes unbeachtet blieb. Vor Beginn der Arbeiten für den Schulneubau erfolgte auf Veranlassung der Gemeindeverwaltung die Bergung und Entschärfung durch den Kampfmittel- Räumdienst des Landes Hessens, der auch die Bombe zur Sprengung abtransportierte.

In den Marmorsteinbrüchen (im Vordergrund) war seit Mitte 1944 eine Wehrmachtseinheit
zur Herstellung technischer Gase für die V II stationiert.

Das schöne Gasthaus zum „Lahntal" wurde durch den Angriff alliierter Jabos am 12.12. 1944 total zerstört.
Am 12. Dezember 1944 nachmittags um 12 Uhr, als abermals ein Anflug
von alliierten Kampfflugzeugen angekündigt wurde, suchten auch die Bewohner der Gaststätte „Zum Lahntal" und deren Nachbarn im Keller des Hauses Schutz, bevor das Unglück geschah. Bei dem Angriff, der möglicherweise den Bahnanlagen, der Lahnbrücke, oder einer im Steinbruch „Überlahn" stationierten Wehrmachtseinheit gelten sollte, schlug eine Bombe unmittelbar vor den Eingang der Gaststätte" ein . Die ohrenbetäubende Detonation war für alle Zeitzeugen erschreckend. Das geräumige, dreistöckige Gebäude klappte wie ein Kartenhaus zusammen.
Zurück blieben zwei Schwerverletzte, denen es nicht mehr gelang in den Keller zu kommen. Es waren die Wirtin Anna Schmidt und deren Tochter Anneliese. Die beiden konnten durch die schnelle Hilfe der im Steinbruch stationierten Soldaten gerettet und umgehend im Limburger Krankenhauses ärztliche Versorgung erhalten. Alle anderen im Keller Verschütteten, darunter auch Kinder, gelangten durch ein Kellerfenster in Sicherheit. Auch an benachbarten Wohngebäuden entstanden beträchtliche Schäden, deren Beseitigung mangels notwendiger Baumaterialien sehr schwierig war.